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Gesundheit fängt im Kopf an – unser Programm im Rahmen der
6.Gesundheits- und Sportwochen vom 20. März bis 3. April 2011
DR. REINHARD WINKELMANN
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Interview
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Dr. Reinhard Winkelmann: "Kümmert euch um eure Eltern!"
Zahnarzt Dr. med. dent. Reinhard Winkelmann im Interview über Zahnprophylaxe und Zahnproblematik im Alter (Blaues Haus, Böblingen, 11. Februar 2011)
Herr Dr. Winkelmann, was liegt Ihnen besonderes auf dem Herzen, das Sie den Lesern des Gesundheitspasses mitteilen möchten?
Eines der größten Probleme einer gesellschaftlichen Randgruppe, ich spreche von alten Menschen in Pflegeheimen, sind deren schlechte Zähne, die ein Kauen unmöglich macht. Daraus resultieren Krankheiten im Verdauungstrakt. Dass ein Patient monatelang an Durchfall leidet, kann mit der mangelnden Fähigkeit richtigen Essens zu tun haben. Verständlich: Wer nicht mehr kauen kann, schluckt das Essen am Stück hinunter oder lutscht es.
Das Traurige daran ist, dass weder Pflegepersonal noch Angehörigen sich darum kümmern. Den Angehörigen fehlt oft das Bewusstsein, das Pflegepersonal hat dafür nicht immer die Zeit oder nicht das nötige Know-how. Menschen, die im Alter noch gut kauen können, haben eine bessere Lebensqualität. Nicht umsonst heißt es, Essen ist der Sex des Alters. Mit schlechten Zähnen wird das Essen allerdings zur Qual.
Wie versuchen Sie, diesem Problem gegenzusteuern?
Die Tragik beginnt schon damit, dass man auf Grund anderer Erkrankungen an diese Patienten nicht ran kommt. Die Umgebung lässt eine ausreichende Behandlung nicht zu. Für eine ordentliche und richtige Zahnheilkunde benötige ich ein großes Equipment, das ich nicht ins Pflegeheim bringen kann. Daher bleibt oft lediglich nur das Zähneziehen, ich möchte sagen, es kommt zu Behandlungen, die ich teilweise unter Buschbedingungen durchführen muss.
Kann eine intensive Prophylaxe das Problem eindämmen?
Die Prophylaxe ist natürlich das A und O. In der Zahnheilkunde hat sie die Bedeutung wie ein Schlussstein in einem gotischen Bogen in der Architektur – wenn ich den nicht habe, bricht der Bogen zusammen.
Im Gegensatz zu den Senioren sind die jüngeren Generationen peinlich darauf erpicht, ihre Zähne zu erhalten und haben erkannt, dass dies nur über Prophylaxe möglich ist. Erstaunlicher Weise zeigen Studien über die Putzleistung, dass es in den 50er- verglichen mit 90er-Jahren, keine Änderung gibt. Trotzdem hat sich die Mundgesundheit dramatisch zum Positiven verändert. Beim Putzen ist die Qualität entscheidend und diese wurde deutlich besser.
Aber auch hier sehen Sie Defizite bei unseren älteren Mitmenschen?
Diese Gesellschaftsgruppe wird durchs Älterwerden grobmotorischer. Gerade Implantate benötigen intensivste Pflege und Prophylaxe, sonst werden diese nutzlos. Für ältere Menschen mit motorischen Problemen ist das keine Lösung. Patienten mit Parkinson oder Alzheimer können nicht mehr richtig putzen. Diese Menschen brauchen eine konzentrierte Pflege für ihre Zähne. Dem Personal in Pflegeheimen fehlt dafür die Zeit. Es kommt zwangsweise zu einer Vernachlässigung der Zahnpflege und zu entsprechenden Folgeerscheinungen.
Die Zahnproblematik bei alten Menschen sieht zusammengefasst so aus: Die Zähne sind biologisch und medikamentenbedingt gefährdet, die Prothesen sind oftmals schlecht und die Umgebung lässt keine professionelle Betreuung zu.
Hinzu kommen gelegentlich Denkweisen wie »Ich bin 78, wieso soll ich für meine Zähne noch Geld ausgeben?«.
Wie entscheidend ist die Wahl der Nahrungsmittel und Getränke? Was verursacht mehr Karies,
was ist weniger kariogen?
Grundsätzlich schadet alles was Säure enthält. Bei Getränken hauptsächlich Softdrinks und Fruchtsäfte. Und selbstverständlich alles mit Zucker. So gesehen sind zuckerhaltige Softdrinks am schlimmsten, sie verursachen die heftigsten Säureangriffe auf die Zähne. In der Regel ebbt ein Säureangriff nach zehn Minuten ab. Ist Zucker im Spiel, wird dieser von den Mundbakterien sofort verdaut und in zusätzliche Säure umgewandelt. Mit einem Schluck Cola ergeben sich somit zwei Säureangriffe. Bei gesunden Menschen enthält der Speichel viele Mineralien. Nach dem Säureangriff nimmt der Zahn durch den Speichel die verloren gegangenen Ionen wieder auf. Aber bei zu vielen Angriffen bleibt dafür immer geringere Zeit. Es entsteht ein Defizit und die Gefahr für Karies erhöht sich.
Wie viele Säureangriffe verträgt ein Zahn pro Tag?
Wir reden immer von sechs Angriffen, wer Speichel mit entsprechender Qualität hat, kann auch mehr wegstecken.
Wie verändert das Altern die Speichelqualität?
Alte Menschen haben häufig weniger Speichel. Der nimmt schon mit 50 ab. Hinzu kommt, dass sich die Leute seit 40 Jahren gleich ernähren, weil sie es so gewohnt sind, unbewusst dessen, dass ihr Speichel weniger und qualitativ schlechter wird.
Oft ist Speichelmangel auch medikamentenindiziert. Zu Speichelarmut führen zum Beispiel Blutdrucksenker, Medikamente, die entwässern oder Beta-Blocker bei Herzpatienten. Leider kennen die wenigsten Fach- und Allgemeinärzte diese Zusammenhänge. Um dem entgegenzuwirken, lassen wir unseren Patienten jährlich einen Anamnesebogen ausfüllen, um zu erfahren welche Medikamente ein genommen wird. Damit klärt sich häufig, wieso sich die Zahnsubstanz eines Patienten innerhalb kurzer Zeit drastisch verschlechtert hat.
Was empfehlen Sie uns, um die Zahnproblematik bei unseren alten Mitmenschen einzudämmen?
Meine Botschaft an alle Angehörigen, die dieses Interview lesen: Kümmert euch um eure Eltern! Schaut, ob diese noch kauen können! Wer soll hier eine Änderung bewirken, wenn nicht wir? Denn das ist auch unsere Zukunft! Nur schade, dass die Entwicklung dieses Problembewusstseins mit den Werten der jungen Gesellschaft kollidiert, die da lautet, lieber jung, reich und gesund als arm, alt und krank. Dieses Motto ist jungen Erwachsenen extrem wichtig. Das zeigt die rapide Zunahme an ästhetischen Behandlungen wie z. B. Bleaching.
Und Ihre wichtigste Botschaft zum Schluss?
Die Reparatur ist temporär, die Prophylaxe ein Leben lang.
Vielen Dank Dr. Winkelmann für diese aufschlussreichen Worte!
Oxido
Drs. Winkelmann & Koller
Blücherstraße 13
D-71116 Gärtringen
Telefon: 07034 205 61
Fax: 07034 92 97 47
E-Mail: praxis@oxidio.de
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